Heute wie damals?

M. of Castlefield, 25. August 2020

Jüdisch

„Juden dürfen hier nicht hinein! Geht zu Euresgleichen!“ Betroffen schaut der kleine Bub zu seiner Mama, er weiß nicht, was da gerade passiert. Die Mama kehrt schweigend um und flüstert nach einer kleinen Weile: „Gern hätte ich mit dir zu deinem Geburtstag einen Eisbecher gegessen, aber das geht hier nicht.“
Fragende Augen blicken sie  an. „Vielleicht hatten sie kein Eis mehr“, versucht er die Lage zu erklären, sich und seiner Mutter.  Sie jedoch schüttelt nur wortlos den Kopf. „Laß uns beim Laden um die Ecke schauen, vielleicht kann ich dir wenigstens ein paar Näschereien besorgen.“  Freudig hüpft der Kleine mal auf einem, mal auf dem anderen Bein und lugt um die Ecke. „Er hat auf“, jubelt er und strahlt über sein Gesicht. „Ich bin Erster, wetten?“, ruft er und flitzt, so schnell er kann, von seiner Mutter davon.
„Ja, ich habe es doch gewußt!“, erschallt es aus seinem Mund, und er drückt sogleich die Tür des Ladens für die Mama auf; so macht es ein höflicher junger Mann, weiß er.  Ehe er sich jedoch umdrehen kann, hört er die vernichtenden Worte: „Raus mit dir, solches Gesindel, wie ihr es seid, bedienen wir nicht mehr!“  Und ehe er sich’s versieht, stolpert er die Stufen hinunter, weil er derb gestoßen wird, so daß er das Gleichgewicht verliert. Auf den Knieen gelandet, versucht er mühevoll, seine Tränen zurückzuhalten, hat er sich doch blutig geschlagen auf dem Schotterweg.
Die Mutter, ganz blaß im Gesicht und furchtbar erschrocken, hebt ihn schnell auf und zieht ihn weg. Nur schnell nach Haus, ist ihr erster Gedanke. Sie ahnt nicht, daß ihr Zuhause nicht mehr existiert.
Als sie beide ankommen, schauen sie entsetzt auf ein Feuer, das ihr Heim in Schutt und Asche legt. Es stehen wohl einige Nachbarn tatenlos drumherum, ohne daß einer auch nur zu helfen wagt. Vor dem Eingang hat sich ein Polizist mit strenger Miene breitgemacht, der es allen verwehrt, näher zu kommen. Mit scheinbar bedauerndem Blick, aber hämischem Grinsen spricht er zu den nun Obdachlosen: „Die Feuerwehr hat an einem anderen Ort zu tun, hier ist nichts mehr zu retten!“
Maske
Es WAR eine finstere Zeit!

Es war ein Tag, der, von Wolken begleitet, gegen Nachmittag nun doch noch die Sonne zu ihrem Recht kommen ließ. Ein Sonntag eben, der einlud, irgendwo einzukehren.
„Schau mal, der Freisitz dort“, meinte sie zu ihrem Partner. Einige Tische waren noch frei, also sollte man Glück haben. Fröhliche, offene Gesichter überall, man aß und trank oder schwatzte miteinander. Hier konnte man sicher vergessen, was sonst um einen herum und in der Welt geschah. Zur Terrasse mußte man allerdings außen herumgehen, denn dort, wo sie gerade standen, war der Ausgang ausgewiesen. „Ah, da sind die Stufen zum Freisitz, also los“, meinte sie.
Ein Tisch hinderte allerdings am Betreten. Eine Klingel sollte bedient werden, doch der Inhaber kam schon auf sie zu, also schien alles zu klappen. „Ohne Maske dürfen Sie hier nicht rein!“, fuhr er sie mit harscher Stimme an. Betroffen schauten sie einander an. „Nein“, meinte der junge Mann und wollte umkehren. Die Frau aber hielt inne. „Ich habe einen Schein…“
Weiter kam sie nicht, denn prompt erhielt sie zur Antwort: „Scheine interessieren mich nicht, es gibt keine Ausnahme. Ich habe hier Hausrecht, und das sagt die Verordnung!“ „Aber das ist doch doch Diskriminierung!“, widersprach sie.  Auch jetzt schnitt er ihr das Wort ab und berief sich wütend auf sein Recht: „Das ist keine Diskriminierung!“
„Ist dir aufgefallen, daß er uns siezte?“, fragte der Mann verdutzt, nachdem sie sich einige Schritte entfernt hatten. Sie waren mit dem Besitzer auf Du gewesen. Freunde aus dem Ort, die sie wenig später befragten, bestätigten, daß der Wirt plötzlich von allen, die mit dem bestehenden System und den rigorosen Maßnahmen nicht einverstanden waren und demonstrierten, Abstand hielt, ja sie nicht einmal grüßte.
„Was kommt hier nur zum Kochen? Die falsche Meinung führt also zur Ausgrenzung? Werden wir demnächst auch keine Nahrungsmittel mehr kaufen können? Selbst die in den bestehenden Verordnungen genannten Ausnahmen wurden einfach ignoriert? Was stimmte hier nicht?“

Es IST eine finstere Zeit!

Bild: ©kroytor, ©Topuria Design - stock.adobe.com


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