Das Lied vom Tod

Der Tod

(inspiriert durch eine wahre Begebenheit)

Andreas H. Buchwald, Greith, 27. Dezember 2020

Wer mag es schon gern hören? Der Tod ist das festgefügteste Tabuthema unserer Zeit und Welt, obwohl er allgegenwärtig ist. Wenn aber ALLES aufbricht, hält auch diese Mauer nicht mehr, und sein Lied wird wieder gespielt. Ob es uns gefällt oder nicht.

Bei Ennio Morricone klingt es noch gut, romantisch sogar. Und irgendwann sieht man, wie sich zwei Männer – zwei Todfeinde – gegenüberstehen. Wenn alle beide treffsichere Revolverhelden sind, so wissen wir, daß in solchen Fällen nur eines gilt: Wer ist schneller?

Den Schnelleren halten wir für den Besseren. Weil er – in den meisten Fällen – überlebt. Mit dem, der stirbt, beschäftigen wir uns nicht länger. Für ihn ist alles aus.
Ist es das? Woher wollen wir das wissen? Wer genügend lebende TOTE kennt, ist schon mal recht gut in der Lage, den Unterschied von Körper und Seele zu SEHEN.
Und der „Sieger“? Wer aufmerksam gelesen hat, erinnert sich, daß er ÜBERlebt hat. LEBT er aber? Ist er … LEBENDIG? Nur weil er schneller war?
Wer nur die Oberfläche sehen kann, hat Angst vor dem Tod. Und gibt den Menschen um sich her die Möglichkeit, diese Angst zu nutzen, ihn damit zu manipulieren. Auf diese Weise sind die meisten von uns erpreßbar geworden. Sie erkennen, wenn sie an LEBEN denken, nur das, was sie mit ihren FÜNF Sinnen wahrnehmen. Wir haben aber mindestens sieben. Wenn wir die zwei übrigen nicht nutzen, ist das unsere Entscheidung, abgesehen davon, daß sie ohne Übung verkümmern. Weil manche Pflanzenextrakte bisher brachliegende Sinne aktivieren können, sprechen wir in diesem Zusammenhang gelegentlich von BewußtseinsERWEITERUNG. Es gibt Atemtechniken und andere Rituale (zumeist von Naturvölkern bekannt), die ähnliches bewirken.

Nur der heutige Durchschnittsbewohner moderner Industriestaaten, der sich selbst überheblich als „zivilisiert und aufgeklärt“ betrachtet, sieht im Tod das absolute Ende von allem. Die Unmöglichkeit, weiterhin LEBEN zu erfahren. Und mit dieser Vorstellung nimmt er sich aus dem NATÜRLICHEN Fluß des Lebens heraus und erkennt auch die Kreise nicht mehr, die es bildet. Die aus jedem Ende einen neuen Anfang machen, ganz gleich, wohin man schaut. Wenn er sie wahrnehmen könnte, wäre er in der Lage, seine grundsätzliche Angst erheblich zu vermindern.

Nun aber hat er sich für diese Angst entschieden. Davon machen nicht einmal die Vertreter der Kirchen eine Ausnahme, die es doch eigentlich besser wissen müßten. Das aber, was sie immer gepredigt haben, war eben wohl doch nur – Maske.
Und nun sitzen wir in der Falle, in der Angstfalle. Nun können sie uns hetzen. Uns das LEBEN – das nämlich, das wirklich diese Bezeichnung verdient – geradezu verbieten, weil die Angst vor dem Tod die Motivation unseres Tuns geworden ist. Fast schon die einzige.

SchamaneIndianer gehen an einen besonderen Ort, wenn sie ihren Tod nahe fühlen. (Ja, sie FÜHLEN das, weil sie ihre SIEBEN Sinne gebrauchen.) Oft verabschieden sie sich vorher von ihren nächsten Angehörigen. Und dann singen sie ihr Sterbelied, mit dem sie den Tod begrüßen. Freudig. Bereit. Sie wissen, daß LEBEN kein Ende hat. Vor nichts haben sie weniger Angst als vor dem Tod.
Ich kenne Zeitgenossen, die eine Erfahrung gemacht haben, die allgemein als „Nahtoderlebnis“ bezeichnet wird. Auch sie haben die Angst vor dem Tod vollständig verloren und wissen ebenfalls, daß LEBEN kein Ende hat. Daß wir in Kreisläufen und Rhythmen existieren.

Ob der noch immer grassierende C.-Wahnwitz auf der Stelle ein Ende hätte, wenn wir alle so drauf wären, kann ich nicht sagen, stelle es mir aber vor. Denn es ist die Angst vor dem Tod, die uns erpreßbar macht und nach meinen Beobachtungen einer der hauptsächlichen Dreh- und Angelpunkte des Ganzen ist. Und eine Krankheit für sich.
Plötzlich geht es nur noch darum, irgendwie zu ÜBERleben. Nach LEBEN haben wir schon lange nicht mehr gefragt.Erlösung
Ein Kind bittet seine Eltern, mich umarmen zu dürfen. Es bekommt die Erlaubnis und murmelt während der Umarmung: „Hoffentlich mußt du jetzt nicht sterben, weil ich dich berührt habe.“
Was ist mit uns geschehen, daß so etwas möglich ist? Daß Kinder so denken können, daß man ihnen so leicht Schuldgefühle eintrichtern kann? Was soll das für eine Welt sein, auf der man nur noch existiert, um zu ÜBERleben? Und dafür alle echten und natürlichen LEBENSäußerungen unterdrückt? Daß man für das Schummerlicht einer erlöschenden Kerze die Sonne meidet?
Nun sind wir wirklich an dem Punkt, an dem wir uns stellen sollten.

Dem Gedanken an den Tod.
Der Angst davor.
Dem Lied von ihm.
Wir könnten so wieder gesund werden.
Wir könnten … LEBEN.

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